Ugly Songs

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Hermann Hesse). Anfang und Zauber lassen sich nicht so leicht auf ein bestimmtes Jahr, noch weniger auf einen bestimmten Monat festlegen. Es war jedenfalls Sommer. Erich und W.S. hatten ihre Gitarren im Freibad dabei. In einer „ruhigen“ Ecke der Liegewiesen, direkt an dem von Pappeln gesäumten Mainufer, „schraddelten“ wir was das Zeug hielt. „The times they are a changing, Universal soldier, Eve of destruction”. Viele Songs aus dem Kanon der Protestsongbewegung, die W.S. vom Piccadilly Circus aus London mitgebracht hatte. Im Freibad die Jungs und Mädels zu begeistern, das war die eine Sache, doch uns stand der Sinn nach „Höherem“.

Hier kam Thomas Römer ins Spiel. Er war bayrischer Meister im 100-Meter-Delphin-Schwimmen. „Da hat er doch von Haus aus genug Rhythmus und Ausdauer“, schlossen wir haarscharf und ruck zuck war Thomas unser Mann fürs Percussive. Ein richtiges Schlagzeug hatte er nicht, außer ein paar perlmuttfarbene Bongos. Als Bass-Drum benutzte er eine leere Dash-Waschmitteltrommel und ein unförmiges Blechstück als schepperndes Becken.

Erichs Wanderklampfe verströmte den Sound der Wandervogelbewegung, war aber mit Stahlsaiten bespannt, was im Nachhinein genau richtig war. Als W.S. erster Bass dienten die tiefen Saiten eines alten Klaviers. Mit Butterbrotpapier umwickelt verliehen sie dem „schrägen Otto“ eine gewisse Widerborstigkeit, die erwünscht war.

Telefunken Magnetophon 201 TS Tonbandgerät

Wichtigster Bestandteil unseres Equipments war ein Tonbandgerät der Marke Telefunken. Wir positionierten uns so im Raum, dass die lauten Instrumente weiter weg vom Mikrophon sein sollten, die Solo-Gitarre aber ziemlich nah am Mikro gespielt werden musste. Das gab mit etwas Glück eine leichte Verzerrung, die sehr elektrisch, zeitgemäß klang. Es war schon erstaunlich welch abgefahrener Sound aus der „Schwarzbraun-ist-die-Haselnuss-Klampfe“ rauszuholen war. Der Gesang, der vorzugsweise lautmalerische Dada-Texte benutzte, irrlichterte nervös zwischen den Klangkomponenten hin und her. Das Ergebnis war eher ein sperriges Musikerlebnis. Wir nannten das Ganze dann auch selbstironisch „Ugly Songs“.
Die Aufnahmen bzw. Bänder sind leider alle verschollen. Schade!

Erich Dissmeier (git.,voc.)
Thomas Römer (schlagwerk, voc.)
Wolfgang Salomon (recording, bass, voc.)